Sigulda (pps) Nie war die Volksweisheit „Jede Medaille hat zwei Seiten“ wohl so treffend wie vor den 42. FIL-Europameisterschaften im lettischen Sigulda (23./24. Januar 2010). Natalie Geisenberger (GER), Armin Zöggeler und Christian Oberstolz/Patrick Gruber (alle ITA) verzichten wegen der Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele 2010 im kanadischen Whistler auf eine Titelverteidigung. Der Wertigkeit der kontinentalen Titelkämpfe tut dies dennoch keinen Abbruch. „Schon am Montag danach interessiert es keinen mehr, wer nicht am Start war. EM-Titel bleibt EM-Titel. So wird es in den Statistiken auf immer und ewig verzeichnet bleiben“, sagt der Vorsitzende der Sportkommission des Rennrodel-Weltverbandes (FIL), der Schweizer Sepp Benz.
Zumal sich das Starterfeld durchaus sehen lassen kann. Die Top-Favoritin bei den Damen heißt Natalia Jakuschenko. Die Ukrainerin gewann bei der WM 2009 in Lake Placid Bronze und machte sich als Herausforderin der deutschen Rennrodlerinnen einen Namen. Die 37-Jährige schrieb zudem am 19. November 2004 ein kleines Kapitel Rennrodel-Geschichte, als sie die deutsche Siegesserie nach 20 Erfolgen in Folge im Challenge Cup beendete.
Medaillen-Kandidatinnen stellen zudem die Lettinnen mit Maija Tiruma, die auf ihrer Heimbahn immer eine glänzende Figur abgibt. Nicht zu vergessen sind die Österreicherinnen mit Nina Reithmayer, im Viessmann-Weltcup auf Rang fünf, und Veronika Halder, die vor zwei Jahren in Cesana (ITA) mit EM-Bronze ihre bislang einzige Einzelmedaille gewann.
Bei den Herren gilt Russlands Olympia-Zweiter Albert Demtschenko, derzeit Zweiter der Gesamtwertung im Viessmann-Weltcup, als Top-Favorit. Auf seiner Heimbahn präsentierte sich zudem Lokalmatador Martins Rubenis, Olympia-Dritter von 2006, WM-Zweiter 2003 (in Sigulda) und WM-Dritter 2004, stets in guter Verfassung. Österreich baut auf den WM-Dritten Daniel Pfister, dessen jüngeren Bruder Manuel und Nachwuchs-Hoffnung Reinhard Egger. Deutschland setzt auf den WM-Dritten von 2007, Jan Eichhorn, und Johannes Ludwig, 2009 beim Olympia-Test in Whistler immerhin Vierter.
Österreichs Doppelsitzer dürften von der Papierform her den EM-Titel unter sich ausmachen. Obendrein geht es im Dreikampf zwischen den Olympiasiegern Andreas Linger/Wolfgang Linger, den zweimaligen Weltmeistern (1996 und 1997) Tobias Schiegl/Markus Schiegl sowie Peter Penz/Georg Fischler um die beiden rot-weiß-roten Olympiatickets. Übrigens: Österreich gewann zuletzt 1982 mit Günther Lemmerer/Reinhold Sulzbacher EM-Gold im Doppelsitzer. Einen Strich durch die Rechnung machen können die Lokalmatadoren Andris Sics/Juris Sics sowie Tobias Wendl/Tobias Arlt aus Deutschland. Die Vize-Weltmeister von 2008 wollen sich nach verpasster Olympia-Teilnahme nun bei der EM trösten.
Lettlands Staffel kann ihren Titel von 2008 auf der Heimbahn erfolgreich verteidigen. Die größten Konkurrenten heißen Österreich und Russland. Deutschland war mit seiner Bestbesetzung schon in Cesana ohne Medaille geblieben.