„Im Moment habe ich wirklich irre viel Spaß an der Sache“
Park City (pps) Anfangs war sie stolz auf ihren Olympiasieg, empfand die Erwartungshaltung von außen und von sich selbst aber durchaus als Belastung. Doch in zahlreichen Gesprächen mit dem Trainerteam, ihrem Mechaniker und ihrem Mentalcoach lernte Tatjana Hüfner damit umzugehen. „Im Moment habe ich wirklich irre viel Spaß an der Sache“, sagte die Olympiasiegerin, zweimalige Weltmeisterin und dreimalige Gesamtsiegerin im Viessmann-Weltcup im Interview mit FIL Press. Tatjana Hüfner weiter: „Bei allem Ehrgeiz und sportlichen Erfolg, den man anstrebt, kann man dies nur erreichen, wenn auch der Spaß und die Lockerheit da sind. Ich freue mich auch, dass ich den Spaß und die Lockerheit wieder gewinnen konnte.“
Die 27-Jährige gewann bislang alle vier Rennen im Viessmann-Weltcup und baute ihre Erfolgsbilanz auf inzwischen 25 Einzelsiege aus.
Das Interview im Wortlaut:
FIL Press: Es gibt Olympiasieger, die schleppen ihre Goldmedaille wie einen Rucksack mit sich herum. Stimmt der Eindruck, dass Ihnen der Olympiasieg von Vancouver 2010 eher Flügel verliehen hat?
Tatjana Hüfner: „Es kommt immer auf die Situation an. Zum einen ist es natürlich schön gewesen, diesen Olympiasieg einzufahren, weil ich jahrelang darauf hingearbeitet habe. Und wenn die Rechnung dann aufgeht, macht es einen stolz. Auf der anderen Seite steigt natürlich die Erwartungshaltung von außen und die eigene an. Und dies könnte man dann auch als Rucksack empfinden. Am Anfang habe ich das auch so wahrgenommen. Aber ich habe dann viel mit dem Trainerteam, meinem Mechaniker und meinem Mentalcoach gearbeitet und geredet, damit ich dies wieder abhaken konnte. Ich konzentrierte mich dann wieder auf andere Sachen, also auf das Rodeln an sich und die Feinabstimmung am Schlitten. Ja, und jetzt ist es wieder gut losgegangen.“
FIL Press: Man hat in dieser Saison den Eindruck, als seien Sie total entspannt, hätten richtig Spaß an ihrem Sport. Genießen sie derzeit alles, was mit Rodeln zusammenhängt?
Tatjana Hüfner: „Das ist richtig. Das kann man so sagen. Im Moment habe ich wirklich irre viel Spaß an der Sache. Ich erachte dies auch als wichtig. Bei allem Ehrgeiz und sportlichen Erfolg, den man anstrebt, kann man dies nur erreichen, wenn auch der Spaß und die Lockerheit da sind. Beides verspüre ich derzeit sehr stark. Ich freue mich auch, dass ich den Spaß und die Lockerheit wieder gewinnen konnte.“
FIL Press: Auffällig ist auch ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der deutschen Damen-Mannschaft. Stimmt der Eindruck?
Tatjana Hüfner: „Im Moment klappt alles wirklich gut. Carina Schwab, die für Corinna Martini nachgerückt ist, hat sich sehr integriert. Wir kommen ganz gut zurecht. Da herrscht jetzt nicht die Riesenfreundschaft zwischen allen, aber es ist so, dass alles harmonisch abläuft und wir uns gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln können und ein gesunder Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft besteht.“
FIL Press: Sie haben innerhalb von fünf Jahren inzwischen 25 Siege erreicht. Vor Ihnen liegen nur noch Sylke Otto, die 37 Erfolge in zwölf Jahren sammelte, und Silke Kraushaar-Pielach, die für ihre 36 Siege elf Jahre benötigte. Rechnen sie schon hoch, wann Sie die beiden ablösen?
Tatjana Hüfner: „Ganz ehrlich gesagt, nein. Statistiken bedeuten mir nichts. Ich kann doch jetzt nicht an den 37. Sieg denken. Ich denke immer nur von Woche zu Woche.“
FIL Press: Sie haben in den Sommermonaten ihre Russisch-Kenntnisse aufgefrischt. Ist Sochi 2014 ihr nächstes großes Ziel?
Tatjana Hüfner: „Sagen wir mal so: Ich bin immer noch dabei, mein Russisch aufzubessern. Im Hinterkopf ist Sochi natürlich das nächste große Ziel. Als Sportler in einer olympischen Disziplin denkt man natürlich in einem Vier-Jahres-Rhythmus. Ich versuche aber trotzdem, mich auf die Jahre, die dazwischen liegen, zu konzentrieren. Wir haben als Höhepunkt jedes Jahr eine Weltmeisterschaft. Für mich ist jeder Wettkampf, egal ob es ein Weltcup oder eine Weltmeisterschaft ist, sehr spannend. Aber natürlich ist Olympia für einen Sportler das Größte und deshalb auch für mich ein Thema. Russisch kann man ja in diesem Winter ohnehin gebrauchen, weil mit Paramonovo erstmals ein Weltcup in Russland auf dem Terminplan steht.“
FIL Press: Stichwort WM als Saisonhöhepunkt. An Cesana haben Sie sicherlich nur gute Erinnerungen?
Tatjana Hüfner: „Auf jeden Fall. Das waren 2006 meine ersten Olympischen Spiele und das Highlight für mich. Ich mag aber jede Bahn. Schauen wir mal, wie es dann dort läuft. Aber vorerst stehen ja noch die Weltcups an.“
Zur Person
Tatjana Hüfner, geboren am 30. April 1983 in Neuruppin; Wohnort: Blankenburg; Größe: 178 cm; Gewicht: 76 kg; Beruf: Sportsoldatin; Aktiv seit 1992;
Größte Erfolge: Olympiasiegerin 2010, Olympia-Dritte 2006; Weltmeisterin 2007 und 2008, Weltmeisterin 2008 Team-Staffel, EM-Zweite 2004 und 2006, Gesamt-Weltcup-Siegerin 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010, Gesamt-Weltcup-Zweite 2006/07, Gesamt-Weltcup-Dritte 2005/06, Junioren-WM-Zweite 2003, Junioren-WM-Dritte 2002 und Gesamt-Challenge-Cup-Siegerin 2008/09.
Insgesamt 25 Siege im Viessmann-Weltcup.