Umhausen - „Ich grüße alle meine Kinder im Kindergarten, die immer fest die Daumen drücken für mich“, verkündete die vor Freude strahlende frischgebackene Europameisterin Christa Gietl, Kindergärtnerin in Barbian bei Klausen. „Nicht einen einzigen Moment hätte ich gedacht, dass meine Zeiten hier für den Titel reichen würden, ich habe immer nur probiert gut zu fahren. Den zweiten Lauf habe ich ein bisschen verpatzt, der dritte ist dann wieder gut gegangen“, analysierte die Italienerin, die vor dem entscheidenden dritten Lauf noch an vierter Stelle lag und erst heuer wieder den Anschluss an die Weltspitze geschafft hat. „Wenn man mal nicht so gut fährt, ist es sehr schwer wieder zurück an die Spitze zu kommen, dass mir das gelungen ist, freut mich schon sehr,“ gibt sich Christa Gietl bescheiden. Eigentlich wäre ihre Schwester Renate die programmierte Europameisterin gewesen. „Ich hätte schon gedacht, dass Renate das Rennen macht, mit dem Vorsprung, den sie hatte“, attestierte auch die neue Europameisterin. Renate Gietl hingegen freute sich auch über die Bronzemedaille, ihre erste Medaille in Europameisterschaften, die somit ihre Sammlung komplettierte. „Ich habe in der ersten Kurve schon gemerkt, dass es heute sehr schwer wird. Dann hatte ich in der Zielkurve noch einen Fehler, nach dem ich eigentlich froh sein muss, dass sich eine Medaille ausgegangen ist. Es war ganz klar mein Fehler, dass ich meinen Vorsprung verloren habe, aber ich freue mich für meine Schwester.“
Zwischen den beiden Schwestern steht am Siegerbild eine weitere Italienerin, die 19-jährige Imelda Gruber, die bereits bei den letztjährigen Junioren-Weltmeisterschaften die Silbermedaille gewinnen konnte, im Weltcup aber noch nicht den Anschluss an die absolute Spitze finden konnte. „Ich musste auch hier Qualifikation fahren, aber wir haben im Vorfeld viel am Material gearbeitet und hier bin ich schon im Training gut zurecht gekommen“, berichtete die Sportschülerin aus Mals im Vinschgau. Die Titelverteidigerin und klare Favoritin Ekatharina Lavrentjeva (RUS) wurde in der heurigen Saison erstmals geschlagen und landete auf dem fünften Platz. „Sie hat in Olang auch kleine Fehler gemacht und wir waren nicht so weit weg. Wir wussten, dass, wenn wir alle gleich viel Training auf einer Bahn haben, so wie das hier der Fall war, sie schlagbar ist“, berichtete Renate Gietl. „Und es erhöht den Druck auf sie, wenn eine geschlossene italienische Mannschaft stark ist und hinter ihr liegt, statt nur eine oder zwei Konkurrentinnen.“ Den undankbaren vierten Platz nahm die Österreicherin Melanie Batkowski ein, die vor dem dritten Lauf noch auf Medaillenkurs lag.
Besser lief es für die Österreicher im Herrenbewerb, wo gleich Gold und Silber an die Gastgebernation gingen. Gernot Schwab war zwar als überlegen Führender in den letzten Lauf gegangen, wollte aber keinen Sicherheitslauf riskieren: „Man hat bei den Damen gesehen, wie schnell es gehen kann, dass man verbremst. Ich habe also noch mal voll attackiert. Obwohl ich immer ein gutes Gefühl hatte, wusste ich: zu Ende ist es erst nach der Ziellinie“. Dem Steirer, dem vor seinem ersten Weltcupsieg in der heurigen Saison bereits der Ruf des ewigen Zweiten nacheilte, gelang aber auch bei vollem Risiko ein weiterer hervorragender Lauf und er sicherte sich den Titel mit einem Vorsprung von 1,58 Sekunden. „Ich wollte immer ein Weltcuprennen gewinnen und einmal bei einem Großereignis ganz oben stehen. Mit dem heutigen Tag ist also beides in Erfüllung gegangen“, erzählt der Sportstudent glücklich, aber erschöpft. Im Vorfeld standen die Zeichen nicht optimal für Gernot Schwab: nach einem Crash im letzten Weltcuprennen musste seine Rennrodel repariert werden, die er dann erst im letzten Moment rechtzeitig für die Europameisterschaften erhielt. „Am Donnerstag habe ich bis 2 Uhr nachts an den Schienen gebastelt.“ Zudem ist er dabei sein Sportstudium abzuschließen und privat steht er mitten im Übersiedeln. „Mir ist in der letzten Woche alles fast ein bisschen zu viel geworden, umso schöner ist das Gefühl jetzt, dass alles so gut geklappt hat.“
Die Freude stand auch dem Überraschungs-Zweiten Thomas Schopf, ebenfalls aus der Steiermark, ins Gesicht geschrieben. Nach seinen hervorragenden Trainingszeiten wartete man in der Szene gespannt darauf, ob der erst 17-jährige auch im Rennen die Nerven behalten würde. „Ich bin eigentlich ganz cool geblieben. Ich habe hier meine Leistung zeigen dürfen, die etablierten Läufer haben müssen.“ Thomas Schopf ist mit seinem Cousin Christian Schopf regierender Weltmeister der Junioren im Doppelsitzerbewerb, wird sich aber fortan seiner Karriere als Einsitzer widmen. „Ich habe vor dieser Meisterschaft schon gewusst, dass ich auch im Einsitzer meine Chancen habe und der Wechsel war schon beschlossen. Nach meinen beiden Laufbestzeiten im Training habe ich erstmals begonnen, mir für diese Meisterschaft was auszurechnen.“ Sein Saisonziel hat der frischgebackene Vize-Europameister allerdings noch nicht erreicht: „Ich möchte einmal im Weltcup starten, aber das wird wohl noch bis zur nächsten Saison dauern“. Dem Führenden im Weltcup, Patrick Pigneter, war es in Umhausen überlassen Italien im Herren-Einsitzer Bewerb auf dem Siegespodest zu vertreten. Er sicherte sich mit drei ausgeglichenen Läufen die Bronzemedaille.
Endergebnisse:
Damen (21):
1. Christa GIETL (ITA), 1:18,27(2), 1:19,58(5), 1:18,31(1), 3:56,16
2. Imelda GRUBER (ITA), 1:18,16(1), 1:19,26(3), 1:18,77(2), 3:56,19
3. Renate GIETL (ITA), 1:18,41(3), 1:18,78(1), 1:19,45(3), 3:56,64
4. Melanie BATKOWSKI (AUT), 1:18,73(4), 1:18,83(2), 1:19,65(4), 3:57,21
5. Ekatharina LAVRENTJEVA (RUS), 1:18,79(5), 1:19,51(4), 1:19,71(6), 3:58,01
6. Sabine KOGLER (AUT), 1:19,39(6), 1:20,10(7), 1:19,79(7), 3:59,28
7. Tamara SCHWARZ (ITA), 1:19,99(10), 1:19,68(6), 1:19,89(8), 3:59,56
8. Marlies WAGNER (AUT), 1:19,72(7), 1:20,58(10), 1:19,67(5), 3:59,97
9. Michaela MAURER (GER), 1:20,05(11), 1:20,32(9), 1:20,13(9), 4:00,50
10. Melanie SCHWARZ (ITA), 1:19,86(8), 1:20,16(8), 1:21,07(12), 4:01,09
11. Anna BRAUN (AUT), 1:19,89(9), 1:20,68(11), 1:20,74(11), 4:01,31
12. Julia VETLOVA (RUS), 1:20,36(12), 1:21,26(12), 1:20,49(10), 4:02,11
Herren (43):
1. Gernot SCHWAB (AUT), 1:17,05(1), 1:17,05(1), 1:17,36(1), 3:51,46
2. Thomas SCHOPF (AUT), 1:17,56(2), 1:17,74(5), 1:17,74(5), 3:53,04
3. Patrick PIGNETER (ITA), 1:17,77(3), 1:17,67(2), 1:17,66(2), 3:53,10
4. Florian BREITENBERGER (ITA), 1:17,98(5), 1:17,69(3), 1:17,67(3), 3:53,34
5. Andreas CASTIGLIONI (ITA), 1:17,80(4), 1:17,72(4), 1:17,84(6), 3:53,36
6. Gerald KAMMERLANDER (AUT), 1:18,34(9), 1:18,01(6), 1:17,69(4), 3:54,04
7. Martin PSENNER (ITA), 1:18,13(8), 1:18,10(7), 1:18,18(7), 3:54,41
8. Christian SCHWARZ (ITA), 1:18,07(6), 1:18,22(8), 1:18,34(8), 3:54,63
9. Anton BLASBICHLER (ITA), 1:18,10(7), 1:18,45(10), 1:18,47(9), 3:55,02
10. Florian BATKOWSKI (AUT), 1:18,50(11), 1:18,75(14), 1:18,60(11), 3:55,85
11. Daniel QUITTA (ITA), 1:18,95(15), 1:18,39(9), 1:18,74(13), 3:56,08
12. Robert BATKOWSKI (AUT), 1:18,59(12), 1:18,60(12), 1:18,97(16), 3:56,16
13. Philipp WAGNER (AUT), 1:18,43(10), 1:19,19(18), 1.18,61(12), 3:56,23
14. Georg MAURER (GER), 1:18,96(16), 1:18,75(14), 1:18,53(10), 3:56,24
15. Marcus GRAUSAM (GER), 1:18,84(14), 1:18,79(17), 1:18,74(13), 3:56,37
16. Gerhard PILZ (AUT), 1:18,77(13), 1:18,70(13), 1:19,04(18), 3:56,51
Chris Karl
FIL Media Service