Das unglaubliche Comeback der Emily Sweeney
Lake Placid (RWH) Als die beiden Läufe richtig gut gelungen waren, als sie bei ihrem Comeback sogar auf den Siegerpodest stand, als dann auch noch die Blumenzeremonie im wahrsten Sinne des Wortes überstanden war, hatte Emily Sweeney nur noch einen Wunsch: Sich hinlegen, entspannen und vor allem sich behandeln lassen. Dass bei der emotionalen Berg- und Talfahrt obendrein auch noch ein paar Tränchen flossen, ist nur allzu verständlich, wenn man die ganze Geschichte der US-Amerikanerin kennt.
Emily Sweeney leidet noch immer an den Folgen des Sturzes bei den Olympischen Winterspielen in PyeongChang (KOR). Die Schmerzen des vor neun Monaten erfolgten Unfalls begleiten sie noch heute. Erst recht bei ihrem Comeback im Viessmann-Weltcup im kanadischen Whistler, das die ehemalige Junioren-Weltmeisterin mit einem unglaublichen dritten Platz abschloss und damit auch krönte.
Damals in PyeongChang war sie fürchterlich gestürzt, hatte erst die Kontrolle über sich und ihren Schlitten verloren, war dann mit den Füßen voraus gegen die Dachkante der Bahn geprallt und vor dort zurück aufs Eis geschleudert worden. Den Zuschauern im Alpensia Sliding Centre – darunter auch ihre Mutter Sue – und weltweit vor den TV-Geräten stockte der Atem. Doch Emily Sweeney stand von allein wieder auf und schritt davon. Ja, sie bestand sogar darauf, in der Mixed Zone den Medienvertretern Rede und Antwort zu stehen.
Noch in der Nacht wurde sie geröntgt, tags darauf folgte eine Kernspintomografie. Beide Untersuchungen blieben ohne Befund. Emily Sweeney selbst sagte, es sei schmerzhaft, aber sie fühle sich gut. Erst spätere Tests offenbarten dann das ganze Ausmaß des Sturzes: Brüche im Nacken und an der Wirbelsäule. Doch Emily Sweeney wollte die Olympia-Stimmung nicht mit ihrer Verletzungs-Story trüben, behielt die Diagnose mehr oder weniger für sich.
Wieder zuhause, begann ihr Martyrium erst richtig. Vor ein paar Monaten konnte sie kaum auf der Laufbahn stehen, geschweige denn joggen. An eine vernünftige Saisonvorbereitung war nicht zu denken. Aber sie wollte unbedingt zurück auf ihren Schlitten. „Viele haben mich für verrückt erklärt. Aber um ehrlich zu sein: Ich hatte mehr Angst davor, nicht wieder zu rodeln. So ein fürchterliches Ende sollte meine Laufbahn nicht nehmen“, sagte Emily Sweeney der Nachrichtenagentur AP. Sweeney weiter: „Ich will überhaupt vor nichts Angst haben. Ich hatte keine Wahl: Ich musste zurückkehren.“ Mit Erfolg, siehe Whistler.